Gastbeitrag von Optimist

Nachdem wir schon auf unseren England-Reisen nach Newcastle und Liverpool begeistert Groundhopping bei Spielen der Premier League betrieben haben, wollten wir auf unserem Paris-Trip auch mal Erstligafußball in Frankreich (Ligue 1) kennenlernen. Deshalb gibt es jetzt wieder mal einen Gastbeitrag von mir, auch wenn ich mit meinem Bericht etwas spät dran bin, denn das besagte Spiel war das 3. Saisonspiel am 20. August 2011. Bei dieser Gelegenheit: Danke Bomber fürs Anpassen und Einstellen des Beitrags!

Über Paris muss man nicht viele Worte verlieren. Die Hauptstadt von Frankreich ist mit ca. 2,2 Millionen Einwohnern im Stadtkern und insgesamt über 10 Millionen Einwohnern im Ballungsraum natürlich Frankreichs größte, hat aber trotzdem ein Alleinstellungsmerkmal in der Ligue 1, denn trotz der Größe von Paris gibt es keinen ernstzunehmenden Lokalrivalen.

Der Verein Paris Saint-Germain FC (oder Paris SG oder einfach PSG) ist, anders als der Glubb, kein alter Traditionsverein, sondern erst im Jahr 1970 aus einem Vorortclub gegründet worden. Trotzdem haben sie schon eine beachtliche Titelsammlung mit 2 Meistertiteln und 8 Pokalsiegen und auch in der europäischen Bilanz einen Europapokal der Pokalsieger (1996) und einen UI-Cup Sieg (2001). Mit dem Aufstieg von PSG ging der Abstieg der alten Pariser Traditionsvereine „Racing“ und „Red Star“ einher, die inzwischen in der 3. und 4. Liga herum dümpeln. Andere Pariser Fußballclubs spielen maximal in der 2. Liga. PSG dagegen wurde von einer Investorengruppe aus Katar übernommen und mit dem klaren Auftrag, den Meistertitel zu holen, mit jeder Menge Geld ausgestattet.

Im aktuellen Kader finden sich nur wenige Bekannte und keine mit Bundesligavergangenheit, aber eine Personalie verdient besondere Beachtung: Javier Pastore (argentinischer Nationalspieler, ein typischer 10er) wurde zur aktuellen Saison für 43 Millionen Euro verpflichtet und wurde von den Fans schon vor dem ersten Saisoneinsatz (an unserem Spieltag) als Heilsbringer fast schon angehimmelt, praktisch jedes 2. Trikot trägt seinen Namen und die Nummer 27. Inzwischen konnte er die Vorschusslorbeeren wohl auch bestätigen, mit 8 Toren und 2 Vorlagen in 18 Spielen. Zuletzt, während der Winterpause gibt es allerhand Wirbel um PSG. So wurde der Trainer Antoine Kombouaré, der auch ein ehemaliger Spieler von PSG und sehr beliebt war, trotz Erreichen der Herbstmeisterschaft durch Carlo Ancelotti ersetzt, weil der in seiner Vita schon etliche Erfolge vorweisen kann. Man will damit wohl auf Nummer sicher gehen. Auch einige klangvolle Spielernamen waren im Gespräch, wie z.B. David Beckham, Pato oder jetzt Carlos Tevez….

Der „Ground“, das Heimstadion von St.-Germain ist der Parc des Princes, der Prinzenpark. eines der traditionsreichsten Stadien Frankreichs. Das Stadion fasst 49.000 Plätze, bzw. für internationale Wettbewerbe 44.283, die alle überdacht sind. Das Stadion wurde übrigens im Jahr 1897 als Radrennbahn konzipiert, die bis 1967 bestand hatte. Eine Zeit lang endete sogar die Tour de France im Prinzenparkstadion. Gleichzeitig wurden dort bereits seit 1899 Fußballspiele ausgetragen. 1972 wurde das Stadion komplett in seinen heutigen Zustand umgebaut, daher sieht man dem Prinzenpark die lange Tradition heute nicht mehr an.

Im Stadion gibt es noch einen recht ordentlichen Fan-Shop, in Größe und Ausstattung vergleichbar mit dem neuen Shop am Stadion in Nürnberg. Der Fan-Shop liegt neben dem Zugang zum VIP-Bereich.

Dort haben wir uns am Vortag des Spiels auch die Tickets besorgt, denn unsere Versuche mit dem Internet sind fehlgeschlagen und PSG ist selten ausverkauft. Jedenfalls vor dieser Saison, die aufgrund der Erfolge vielleicht inzwischen doch ein volleres Stadion verursacht. Mit 25 Euro für einen Sitzplatz in der Kurve (Unterrang) preislich ganz OK und so Ähnlich wie bei uns. Vielleicht ganz witzig am Rande: Im Internet-Ticketshop gab es auch Kategorien, bei denen die Tickets für Frauen umsonst waren, wenn sie einen Mann begleiten. Offensichtlich glaubt man in Frankreich nicht so recht an das Interesse am Fußball bei den Damen 😉

Auch das Stadion in Paris liegt mitten in der Stadt, etwas am Stadtrand, direkt über der Stadtautobahn. Die Sicherheitsmaßnahmen außerhalb des Stadions waren allerdings deutlich höher als deutscher Standard, da waren ganze Straßenzüge mit mobilen Zäunen versperrt, um ein Aufeinandertreffen gegnerischer Fans zu vermeiden. Auch patrouillierten berittene Polizisten vor dem Stadion.

Dann ging es ins Stadion, wo wir Sitzplätze im Unterrang, nahe der Eckfahne bekommen hatten. Das Stadion ist nicht wie in England ein geschlossener Kasten, sondern eher offen angelegt wie bei uns. Ins Stadion gelangt man, wie bei uns über Zauntore in einen offenen Vorplatzbereich, über den man die verschiedenen Treppenhäuser erreicht. Einlass und Sicherheitskontrolle wie bei uns, man musste die Deckel von 0,5 l Plastik-Wasserflaschen abgeben, durfte die vollen Flaschen aber dann mitnehmen (als ob man die nicht auch ohne Deckel werfen könnte).

Die Verpflegungsbereiche waren hinter den Tribünen, über den Vorplatz erreichbar. Und anders als in England darf im gesamten Stadiongelände rauchen, solange es kein geschlossener Raum ist. Aber, während man in England wenigstens hinter der Tribüne Bier bekommen hat, gab es in Paris generell keinen Alkohol, nur ekelhaftes alkoholfreies Bier, wohl aus Sicherheitsgründen!

Dann im Stadion, Sitzplätze eingenommen, erinnert alles irgendwie an zuhause: es gab 2 Video-Anzeigentafeln mit entsprechender Werbung, Musikbeschallung vor der Mannschaftsvorstellung und auch etwas wie eine Vereinshymne (soweit das zu verstehen war).

Das Highlight war aber eine stadionweite Choreographie, die gut organisiert war (und über die Videoleinwände dirigiert wurde), an der wir auch mitmachen konnten. Dazu waren auf jedem Platz rote oder dunkelblaue DIN A2 Plakate zum Hochhalten verteilt worden und so wurde das ganze Stadion gestreift in die Vereinsfarben getaucht. Wir waren beeindruckt!

Kapazität: 49.000 Zuschauer

Das Prinzenparkstadion (Parc des Princes) Paris in voller Größe (bitte auf das Bild klicken)

Rechts von uns war wohl die Hardcore-Fankurve, allerdings trugen die meisten Leute Fankleidung und nicht schwarz, obwohl es bei PSG auch berüchtigte Ultra-Gruppierungen geben soll. Ein Indiz hierfür war, dass ähnliches Liedgut wie in Deutschland angestimmt wurde. Was allerdings bemerkenswert war: der Gästeblock war komplett eingezäunt: vorne, oben, unten, wie auf dem Bild vielleicht erkennbar. So was habe ich auch noch nirgends gesehen! Mit Gewalt im Fußball scheint es auch in Frankreich bereits ernste Probleme gegeben zu haben. Allerdings war alles friedlich es gab auch keine Pyros, es gab nichts auffälliges und nichts, was auf gewaltbereite „Fans“ hindeuten würde.

Während des Spiels dann aber herrschte eine tolle, beeindruckende Atmosphäre, obwohl es kein ausverkauftes Haus, aber immerhin 35.700 Zuschauer gab. Zwar gab es auch ein wenig monotonen Dauersingsang, aber auch viele spielsituationsbezogene Emotionen und zwischendurch Schlachtgesänge, die als Kanon von Seite zu Seite „beantwortet“ wurden. Eigentlich ähnlich, wie bei uns, aber mit einer leicht südländisch anmutenden Intensität, so wurden z.B die Gäste mit einem gellenden Pfeifkonzert und Buh-Rufen willkommen geheißen, wie auch gegnerische Auswechselspieler entsprechend begrüßt wurden. Insgesamt war das Publikum schon deutlich heißblütiger als in Deutschland. Wirklich eine tolle Atmosphäre, viel besser, als erwartet.

Das Spielniveau war vergleichbar mit der Bundesliga, insgesamt ein wenig fahrig mit vielen Ballverlusten im Mittelfeld. PSG ging nach gut 30 Minuten verdient in Führung, kassierte dann den etwas schmeichelhaften Ausgleich nach einer Ecke direkt vor der Pause und konnte schließlich nach ca. 60 Minuten per Elfmeter (siehe Bild) den Endstand von 2:1 erzielen, der relativ locker über die Zeit gebracht wurde.

Nach dem Spiel ging alles zügig und gut geordnet nach Draußen, Aggressionen waren keine zu spüren – völlig problemlos und friedlich. Ein besonderes Erlebnis hatten wir dann allerdings noch. Nachdem uns alles recht gut gefallen hatte, wollten wir noch T-Shirts als Souvenirs mitnehmen, die vor einem Abstellraum unter den Tribünen für 9 Euro angeboten wurden. Der Raum war wohl Lager und Büro des „Club des Supporteurs du PSG“, innen waren auch noch massenweise Plakate von der Choreo gelagert. Nachdem wir ein paar Minuten auf den „Chef“ mit dem Schlüssel warten mussten, habe wir uns ein wenig mit den wirklich netten Leuten, die alle sehr familiär wirkten und so um die 60 waren, unterhalten. Schließlich war dann alles geregelt, und wir bekamen zu unseren T-Shirts auch noch 2 Stockfahnen (etwa DIN A1 – Format) mit Kunststoffstielen geschenkt. Ein nettes Erlebnis!

Fazit:

Das war wieder ein tolles Ereignis, das uns positiv überrascht hat. Eigentlich sind wir nur aus Interesse hingegangen und hatten mit französischem Fußball nichts weiter am Hut, aber nach diesem schönen Erlebnis mit der guten Stadionatmosphäre und den netten Leuten vom Fanclub haben wir PSG zur Liste unserer „Auslandsfavoriten“ hinzugefügt, neben Liverpool und Newcastle. Im Prinzip war das Gefühl im Stadion in Paris sogar besser als in England. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir in England keines unserer Spiele gewonnen hatten. Das drückt eben einfach auf die Stimmung. Tja, was lernt man daraus? Man muss nur ein wenig nett sein, so gewinnt man Fans 😉

Anmerkung Bomber Manolo:

Wieder ein schöner Bericht, wobei ich gleich zu Beginn stutzig wurde, weil ich nicht wusste, dass man den UI-Cup “gewinnen” konnte. Ich dachte immer, das is eine reine Qualifikation? Aber vielleicht ist das so wie beim Glubb, der sich auch als “Relegations-Meister” bezeichtnet! 😉
Interessant finde ich das komplette einzäunen des Ultra-Bereichs – wie lange dauert es noch, bis es das auch bei uns in Deutschland gibt? Dann freu ich mich schon mal auf Deinen nächsten England-Bericht, den es dann wieder an gewohnter Stelle zu sehen gibt! Schönen Dank noch mal! 🙂


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8 Kommentare zu “Groundhopping in Frankreich, Ligue 1: Paris Saint-Germain FC – Valenciennes FC (2:1)”

  1. Muffi8 sagt:

    Sehr interessanter Bericht. Deine Auslandsberichte lese ich immer mit großer Begeisterung, da schön geschrieben und sehr informativ (ich hätte bspw. Paris St.Germain auch als alten Traditionsklub eingeschätzt. Weiter so, Optimist.

  2. Optimist sagt:

    also das mit dem UI-Cup hab ich noch mal recherchiert. Bomber hat recht, es diente eigentlich der Qualifikation für den UEFA-Cup, aber wer das geschafft hatte, wurde als UI-Cup-Sieger bezeichnet (keine Ahnung, ob es dann auch einen richtigen Pokal gab). Allerdings war man nicht alleine Sieger, sondern es waren jedes Jahr 2 – 3 Mannschaften. Also schon ein bisschen ein Alibi-Titel, damit was auf dem Briefkopf steht 😉

  3. @ Optimist: Naja, ob die das auf den Briefkopf schreiben, weiß ich net. Schließlich war der UI-Cup doch mega unbeliebt, weil man in der Urlaubszeit auf irgend einem Sandplatz in Mazedonien gegen irgendwelche kämpfenden Dorfvereine kicken musste… ;-))

  4. Glubberer 1968 sagt:

    Toller Bericht vom Bomber!!Immer interessant solche Insider Infos zu erhalten,war bisher lediglich bei einem Länderspiel im Stade de France gewesen.Leider spielt der Club nur wenig international,so daß ich früher immer auf Schalke oder die Nationalmannschaft ausweichen mußte,um überhaupt internationales Flair zu atmen.Highlights waren da der EM Sieg 96 in Wembley oder das Finale von Schalke in Mailand 97.Trotzdem ist es mit dem Club,wie z.B in Lissabonn,doch nochmal was anderes.Hoffentlich dauerts nicht wieder 20 Jahre…

  5. @ Glubberer1968: Dies ist ein Gastbeitrag von Optimist! Steht nur mein Name als Verfasser, weils ich online gestellt hab! 🙂
    PS: Wenn Du auch so nen Bericht erstellen willst, immer her damit! :-)))

  6. Glubberer 1968 sagt:

    Sorry,o.k dann natürlich Danke an Optimist!!Klar wenn ich wieder europäisch on tour bin werd ich auch mal was dazu beitragen.Wollte eigentlich Pilsen-Schalke anschauen, aber das wurde nix,weil erst die ganze Zeit unklar war wo die eigentlich spielen(Prag oder Pilsen), dann gabs ein Minimalkontingent an Gästetickets zu total überhöhten Preisen,ca. 60 Euro!!War schon fies von den Tschechen bei den Deutschen so hinzulangen.Da bleibt man dann natürlich zu Hause, auch in Gelsenkirchen gabs bei Vielen lange Gesichter…

  7. Optimist sagt:

    Erstmal schönen Dank an die Kommentatoren für die lobenden Worte 😀

    Bomber, ich glaube nach 20 Jahren erinnert sich keiner mehr daran, wie unbeliebt der Wettbewerb war, wir wissen ja nicht einmal mehr genau, worum es dabei ging. So ein Titel auf dem Briefkopf, der international klingt, macht sich dann halt trotzdem gut… Also ich würde ihn draufschreiben 😉

    Ansonsten kann ich nur jedem empfehlen, sich auf Auslandsreisen “lokale” Ligaspiele anzuschauen. Ist immer wieder ein Erlebnis! Ist allerdings manchmal nicht einfach, an Karten ranzukommen. In Griechenland haben wir es z.B. noch nicht geschafft, weil es nur personalisierte Tickets gibt – das dauerte einfach zu lange.

  8. Oasis88 sagt:

    Erst mal, schön das leute noch nach Paris Hoppen, zur Fanszene sei folgendens gesagz : Fast alle Ultragruppen sind verboten worden und deren Mitglieder sind nicht mehr im Stadion anwesend. Beide Hintertortribünen waren bis 2010 die Fankurven “KOP OF BOLOGNE” Und der “Autile” Im KOP waren ehr die rechten zu Hause und auf der anderen Seite Die Linken und zum Teil dunkelhäutigen Fans! Der Parc de Prince war immer ein Pulverfass und die Stimmung ist mit der in Deutschland nicht zu vergleichen gewesen, sie war 1000 mal besser! Alleine das PSG 8 (!!!) Ultragruppen hatte ist schon Hammer gewesen! Ich war selbst öfter da! Aber seitdem lohnt es sich nicht mehr wirklich dortin zu fahren! Habe auch bekannte in Paris die öfter hingehen, die sagen auch da is nix mehr! Die Hochzeit der Fanszene ist leider vorbei, vielleicht kommen ja mal neue Gruppen nach! Zu wünschen wäre es! Liebe Grüße aus Duisburg!

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